diff --git a/dfi.pdf b/dfi.pdf index 0dd05ce9a78760645f5eee187ffce4b724b577f2..90dfc92261ad01a09345d7db6b2e9ec4283db828 100644 Binary files a/dfi.pdf and b/dfi.pdf differ diff --git a/dfi.tex b/dfi.tex index 14bd753a18b13a9c88f70400d0c68c4c5f585683..8f824afb7401d16e4a9abd725fd3a00657422e45 100644 --- a/dfi.tex +++ b/dfi.tex @@ -10,13 +10,20 @@ \usepackage{tikz} \usepackage{amsmath} -\title{Deutsch für Ingenieurinnen, Ingenieure\\ - und andere intelligente Lebensformen\footnote{Wenn im Titel +\title{\setlength{\tabcolsep}{0ex}% + \begin{tabular}[t]{rl} + Deutsch für + I & ngenieurinnen,\\ + I & ngenieure\\ + & \quad und andere\\ + i & ntelligente Lebensformen\footnote{Wenn im Titel vereinfachend von \emph{Lebensformen\/} die Rede ist, - so schließt dies künst\-li\-che Intelligenzen ausdrücklich mit ein. + so ist dies nicht diskriminierend gemeint, + sondern es schließt künst\-li\-che Intelligenzen ausdrücklich mit ein. Wer verstehen möchte, warum dieser Titel so umständlich formuliert ist, - findet dazu in Kapitel~\ref{Gender-Sprache} einen Erklärungsversuch.}} -\author{Peter Gerwinski} + findet dazu in Kapitel~\ref{Gender-Sprache} einen Erklärungsversuch.} + \end{tabular}} +\author{Ein Buchprojekt von Peter Gerwinski} %\date{10.\ Mai 2015} %\date{20.\ Mai 2015} %\date{15.\ August 2016} @@ -25,7 +32,8 @@ %\date{14.\ September 2016} %\date{1.\ Oktober 2016} %\date{22.\ Februar 2017} % : s/Literat/Linguist/ -\date{18.\ April 2021} +%\date{18.\ April 2021} +\date{Stand: 5.\ Januar 2023} \urlstyle{sf} \newcommand{\http}[1]{\href{http://#1}{\nolinkurl{http:/}\kern-0.15em\nolinkurl{/#1}}} @@ -253,22 +261,9 @@ % &&& "Spielen" mit Satzgliedern: "das richtige Maß" hinter "zwischen" - \iffalse - - \subsection{Zwischen den Zeilen} - - Texte tragen über ihren eigentlichen Inhalt hinaus - stets zusätzliche Informationen. - Diesen Effekt kann man beim Verfassen eines Textes gezielt einsetzen, - um eine zusätzliche Botschaft zu vermitteln. - In der Politik und in der Werbung @@@ - - Diesen Effekt kann man beim Lesen eines Textes nutzen, - um zusätzliche Dinge über den Autor und die Entstehung des Textes herauszufinden. + % &&& Gender-Aspekte: "Leserinnen und Leser" - % &&& Gender-Aspekte: "Leserinnen und Leser" - - \fi + \clearpage \section{Kommasetzung} @@ -701,10 +696,128 @@ \breath + \subsection{Kommasetzung: spezielle Fallstricke} + + \subsubsection{sowie} + + Ein häufiger Irrtum lautet, vor jedes "`sowie"' gehöre ein Komma. + Das ist \emph{falsch}. + + Das deutsche Wort "`sowie"' ist in Aufzählungen eine Alternative zu "`und"'. + Daher gelten für "`sowie"' dieselben Regeln wie für "`und"': + \begin{quote} + \textexample{die Zentripetal- und Zentrifugalkraft sowie die Coriolis-Kraft}\\[\smallskipamount] + richtig: \emph{ohne} Komma vor "`sowie"' + \end{quote} + + Das bedeutet natürlich nicht, + daß ein Komma vor "`sowie"' grundsätzlich unzulässig wäre, + sondern lediglich, daß das "`sowie"' selbst keinen Grund für ein Komma liefert. + Natürlich könnte es andere Gründe für ein Komma geben, z.\,B.\ einen Relativsatz: + \begin{quote} + \textexample{die Zentripetal- und Zentrifugalkraft, die sich genau aufheben, + sowie die Coriolis-Kraft}\\[\smallskipamount] + richtig: \emph{mit} Komma vor "`sowie"', + um den davor stehenden Relativsatz abzutrennen + \end{quote} + + \subsubsection{als} + + Das Wort "`als"' gibt es im Deutschen gewissermaßen mehrfach. + Zum einen kann es als Konjunktion einen Nebensatz einleiten: + \begin{quote} + \dots + \end{quote} + \emph{(Fortsetzung folgt.)} \clearpage + \section{Groß- und Kleinschreibung} + + \subsection{Groß- und Kleinschreibung: spezielle Fallstricke} + + \subsubsection{etwas} + + \clearpage + + \section{Sonstige spezielle Fallstricke} + + \subsection{Variable und Konstante} + + \begin{flushright} + \vspace*{-\bigskipamount} + \em + Oder: Die Variablen und die Konstanten + \end{flushright} + + Welche Version ist richtig: mit oder ohne "`n"' am Ende? + \begin{quote} + \textexample{Variable stehen innerhalb der Klassendefinition.} + \par\smallskip + \textexample{Variablen stehen innerhalb der Klassendefinition.} + \par\smallskip + \textexample{Die Variable stehen innerhalb der Klassendefinition.} + \par\smallskip + \textexample{Die Variablen stehen innerhalb der Klassendefinition.} + \end{quote} + Antwort: Die erste und die letzte Version sind richtig. Warum? + + \breath + + Das Substantiv "`Variable"' ist von dem Adjektiv "`variabel"' abgeleitet. + Dies hat zur Folge, daß seine Deklination ein wenig merkwürdig ist. + Mit vorangestelltem Artikel lautet sie: + \begin{quote} + \begin{tabular}{lll} + & \emph{Singular} & \emph{Plural} \\[\smallskipamount] + \emph{Nominativ} & die Variable & die Variablen \\ + \emph{Genitiv} & der Variablen & der Variablen \\ + \emph{Dativ} & der Variablen & der Variablen \\ + \emph{Akkusativ} & die Variable & die Variablen + \end{tabular} + \end{quote} + Sobald man allerdings den Artikel wegläßt, heißt es: + \begin{quote} + \begin{tabular}{lll} + & \emph{Singular} & \emph{Plural} \\[\smallskipamount] + \emph{Nominativ} & Variable & Variable \\ + \emph{Genitiv} & Variabler & Variabler \\ + \emph{Dativ} & Variabler & Variablen \\ + \emph{Akkusativ} & Variable & Variable + \end{tabular} + \end{quote} + + \breath + + Wie kann man sich das merken? + + Glücklicherweise gibt es noch einen anderen Kontext, + in dem die Verwendung substantivierter Adjektive sehr gebräuchlich ist + und in dem es über das "`n"' keinen Zweifel gibt, + nämlich die Bezeichnung von Mitgliedern politischer Parteien + durch ein substantiviertes Adjektiv, das die Partei beschreibt: + \begin{quote} + \textexample{Konservative sehen das anders.} + \par\smallskip + \textexample{Die Konservativen sehen das anders.} + \end{quote} + + \breath + + Wenn Sie also das nächste Mal über Variable + (oder über die Variable\emph{n}\,\mbox{;--)} schreiben, + ersetzen Sie "`Variable"' gedanklich durch "`Grüne"', "`Linke"' + oder sonstige Parteimitglieder% + \footnote{Mein Doktorvater hat mir damals eine andere, + etwas makabere Merkregel genannt: Denken Sie "`Tote"' statt "`Variable"'.}. + Danach sollte klar sein, ob "`Variable"' oder "`Variablen"' + oder etwas ganz anderes richtig ist. + + Dasselbe gilt auch für andere substantivierte Adjektive wie z.\,B.\ "`Konstante"'. + + \clearpage + \section{Satz- und Sonderzeichen} \subsection{Bindestriche} @@ -800,6 +913,183 @@ \clearpage + \section{Stilfragen} + + Zum Start direkt eine Warnung: Dieses Dokument ist \emph{kein} gutes Beispiel + für den Stil einer wissenschaftlichen Dokumentation! + + Ich versuche hier, einen Kompromiß zwischen Exaktheit und motivierender Lesbarkeit + zu finden. Dazu gehören direkte Ansprache ("`Probieren Sie doch mal \dots"'), + Verwendung der Ich-Form ("`Ich versuche hier \dots"') + und eine viel zu häufige Verwendung des Passivs + und von \emph{Kursivdruck} zur Hervorhebung. + Dies alles gehört normalerweise \emph{nicht} + in eine wissenschaftliche Dokumentation. + + \emph{(Dieses Kapitel ist eine "`Baustelle"' + und wird irgendwann noch ausformuliert.)} + + \breath + + \begin{itemize} + \item + Zielpublikum wissenschaftlicher Dokumentation: + nicht konkret die Prüfenden, sondern die wissenschaftliche Öffentlichkeit + \item + Was würden Sie sich wünschen zu finden, + wenn Sie das in der Arbeit beschriebene Projekt durchführen möchten + und nach einer Anleitung suchen? Diese Anleitung schreiben Sie. + \item + Ziel einer wissenschaftlichen Dokumentation: + Alles soll möglichst exakt sein, + und man soll alles so gut wie möglich verstehen können. + Alle im folgenden aufgeführten Tips sind diesen Zielen untergeordnet. + \item + Eine wissenschaftliche Dokumentation ist kein Tagebuch oder Reisebericht. + Die Ich-Form hat hier normalerweise keinen Platz. + \begin{itemize} + \item + Die chronologische Reihenfolge ist nicht unbedingt am besten geeignet, + um Sachverhalte zu erklären. + \item + Umwege nur dann dokumentieren, wenn sich ein Fehler gewissermaßen aufdrängt. + Dann lohnt es sich, darauf hinzuweisen. + \end{itemize} + \item + Eine wissenschaftliche Dokumentation ist kein Krimi. + Das Vorwegnehmen von Ergebnissen -- auch von überraschenden -- + trägt zum Verständnis bei und ist daher ausdrücklich erwünscht. + Wer das Ziel bereits kennt, kann auch den Weg dorthin besser nachvollziehen. + \end{itemize} + + \subsection{Struktur} + + \begin{itemize} + \item + Grundsätzlich gilt die Struktur: Einleitung, Grundlagen, Hauptteil, Schlußteil. + \begin{itemize} + \item + Einleitung: \emph{Warum} machen wir das? Wieso ist das interessant? + \item + Grundlagen: Was muß man für das Verständnis wissen,\\ + was nicht allgemein bekannt ist? + \item + Hauptteil: Wie lösen wir das Problem? + \item + Schlußteil: Was ist dabei herausgekommen? Wie könnte es weitergehen? + \end{itemize} + \item + Diese Struktur ist rekursiv, d.\,h.\ jedes Kapitel, jeder Abschnitt usw.\ + ist selbst gemäß dieser Struktur aufgebaut. + \item + Wenn ein Abschnitt Unterabschnitte enthält, + gehört die Einleitung zu dem gesamten Abschnitt + noch vor die Überschrift des ersten Unterabschnitts. + \end{itemize} + + \subsection{Spezielle Abschnitte} + + \begin{itemize} + \item + Das \newterm{Abstract} faßt den Inhalt der Arbeit + so knapp wie möglich zusammen. + Sinn des Abstracts ist es, eine Entscheidungshilfe zu geben, + ob die Dokumentation überhaupt der Text ist, den man sucht + und den man lesen möchte. + \item + Viele Unternehmen bestehen auf Sperrvermerken + "`zur Wahrung von Geschäfts"-geheimnissen"'. + Dies ist für Prüfende \emph{sehr ärgerlich}, + und manche Prüfende lehnen die Bearbeitung von Arbeiten mit Sperrvermerk + grundsätzlich ab. + Es sollte immer möglich sein, den wissenschaftlichen Gehalt einer Arbeit + von Geschäftsgeheimnissen zu trennen, + zum Beispiel durch das Ersetzen realer Beispiele durch Phantasie-Daten. + \end{itemize} + + \subsection{Vermeidung von Passiv} + + \begin{itemize} + \item + Die Vermeidung der Ich-Form führt häufig zu längeren Passagen im Passiv, + die zu lesen sehr ermüdend sein kann. + \item + Das Ersetzen von "`wird"' durch "`ist"' stellt keine Lösung dar. + Nach dieser Ersetzung handelt es sich immer noch um Passiv, + nun jedoch in der Vergangenheitsform (Perfekt). + \item + In vielen Fällen ist es möglich, Passiv durch Aktiv zu ersetzen. + Die Frage "`Wer ist der Täter?"' hilft, das Subjekt des Aktiv-Satzes zu finden. + \item + Häufig hilft die Substantivierung von Verben, Passiv auf elegante Weise zu vermeiden. + \end{itemize} + Beispiel: + \begin{itemize} + \item + Ich baue aus zwei Transistoren ein Und-Gatter. + Dann baue ich aus zwei weiteren Transistoren ein Nor-Gatter. + Und dann baue ich aus zwei weiteren Transistoren ein Und-Nicht-Gatter. + + Falsch: Verwendung von "`Ich"', Wiederholungen + \item + Das "`ich"' vermeiden: + + Aus zwei Transistoren wird ein Und-Gatter gebaut. + Danach wird aus zwei weiteren Transistoren ein Nor-Gatter zusammengestellt. + Als nächstes wird wieder aus zwei Transistoren ein Und-Nicht-Gatter erstellt. + + Falsch: extensive Verwendung des Passiv + \item + Aktiv statt Passiv: + + Zwei Transistoren bilden ein Und-Gatter. + Zwei weitere Transistoren realisieren ein Nor-Gatter. + Aus zwei weiteren Transistoren entsteht ein Und-Nicht-Gatter. + + "`Wer ist der Täter?"' + Die Transistoren und im letzten Satz das Und-Nicht-Gatter. + \item + Substantivierung statt Passiv: + + Zwei Transistoren bilden ein Und-Gatter. + Die Realisierung des Nor-Gatters erfolgt durch zwei weitere Transistoren. + Aus zwei weiteren Transistoren entsteht ein Und-Nicht-Gatter. + + Hier keine Verbesserung, aber in manchen Fällen vielleicht schon. + \end{itemize} + In Fällen wie diesem, in denen tatsächlich mehrfach dasselbe geschieht, + ist eine Formulierung mit Stichpunkten oder einer Tabelle meistens besser als Fließtext: + \begin{quote} + Der Aufbau der Schaltung erfolgt wie folgt: + \begin{itemize} + \item + Und-Gatter: 2 Transistoren + \item + Nor-Gatter: 2 Transistoren + \item + Und-Nicht-Gatter: 2 Transistoren + \end{itemize} + \end{quote} + + \subsection{Zwischen den Zeilen} + + Texte tragen über ihren eigentlichen Inhalt hinaus stets zusätzliche Informationen. + Diesen Effekt kann man beim Verfassen eines Textes gezielt einsetzen, + um eine zusätzliche Botschaft zu vermitteln. + In der Politik und in der Werbung wird dies bewußt und reichlich eingesetzt. + + Denselben Effekt kann man auch umgekehrt beim Lesen eines Textes nutzen, + um zusätzliche Dinge über den Autor und die Entstehung des Textes herauszufinden. + Dies ist z.\.B.\ in der Geschichtswissenschaft ein wichtiges Werkzeug. + + In der Wissenschaft hat eine Botschaft "`zwischen den Zeilen"' + normalerweise nichts zu suchen, ist aber trotzdem gelegentlich anzutreffen. + Um nicht unbewußt in eine Falle zu geraten, lohnt es sich daher, + sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen von Texten + auf derartige Details zu achten. + + \clearpage + \section{Gender-neutrale Sprache\label{Gender-Sprache}} Die deutsche Sprache enthält ein Problem: @@ -1016,7 +1306,7 @@ in die Liste A ein (siehe Abb.~13) und aktiviert dort das entsprechende Moderatoren-Flag. \end{example} - Dies hst sogar den Vorteil, daß es eindeutiger wird, + Dies hat sogar den Vorteil, daß es eindeutiger wird, auf welche Person sich ein Pronomen gerade bezieht. In dem o.\,a.\ Beispiel kann sich ein "`sie"' nur auf die Moderatorin beziehen und ein "`er"' nur auf den Benutzer.